Engel des Todes by Marshall Michael

Engel des Todes by Marshall Michael

Autor:Marshall, Michael [Marshall, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-426-41824-6
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2012-07-05T22:00:00+00:00


»Ich habe alles daran ausprobiert, was ich an Software kenne«, sagte ich, als ich ihr die Festplatte zurückgab. »Ohne Ergebnis. Ansonsten gibt es noch Mustererkennungsprogramme, mit denen ich es noch nicht versucht habe. Da sie Spuren hinterlassen, werde ich das lieber mit der Kopie machen, falls du die noch hast. Wer die Festplatte gelöscht hat, der hat gründliche Arbeit geleistet. Die ist wirklich leer. Tut mir leid, manchmal findet man eben nichts.«

»Macht nichts«, sagte sie. Sie stand am Geländer und schaute hinaus auf das dunstige Meer. »Es war eben ein Versuch.«

»Seid ihr mit der Suche nach dem Täter vorangekommen?« Ich hatte meinen Stuhl so weit wie möglich an den Rand des Decks geschoben und damit für den Fall, dass es wegbrach, meine Überlebenschancen minimal erhöht. Ich hätte mich am Türrahmen festklammern können und Nina an meinem Fuß.

»Nein. Die Polizei verhört die Männer, die am häufigsten ihre Website besucht haben. Viele sind es nicht, und keiner von ihnen scheint wirklich in Betracht zu kommen. Wir haben ihren hartnäckigsten Verehrer vernommen, aber ich glaube nicht, dass mehr dahintersteckt. Wir haben eine vage Beschreibung des Typen, mit dem Jessica in der Tatnacht gesehen wurde. Wir wissen jetzt, dass sie manchmal an Tischen bediente. Die Polizei hat mit allen Leuten gesprochen, für die sie gearbeitet hat. Das ist alles.«

»Was war sie denn für ein Mensch?«

Nina wiegte den Kopf. »Sie stammte aus der Gegend um die Bucht von Monterey. Das Police Department von L.A. fahndet nach ihrer Familie dort. Sie haben eine Adresse, die neueren Datums zu sein scheint, aber die Familie ist wohl verreist. Ihre wenigen Bekannten in L.A. wissen nichts über ihr Leben vor der Zeit, da sie mit ihr bekannt wurden. Du weißt schon, was das für Leute sind: Gestern war wahrscheinlich kein guter Tag, also vergessen wir ihn rasch. Du hättest diese Jean sehen sollen, eine von Jessicas Bekannten. Die beiden waren angeblich befreundet – hatten die gleichen Initialen, verbrachten gemeinsam viel Zeit in Bars, mit einem Wort, dicke Freundinnen. Aber kaum ist sie tot, da denkt so eine wie Jean: ›Schon Scheiße. Wo steigt die nächste Party?‹«

»Reizende Freundin.«

»Was erwartest du? Die Leute löschen ihre Vergangenheit in Echtzeit. Jessica war eine Frau, die allein in ihrer Wohnung lebte, sich manchmal depressiv fühlte, zu viel trank und dann starb. Vielleicht werden wir nie mehr über sie wissen.«

Ninas Stimme war bei den letzten Sätzen immer leiser geworden, am Schluss kaum mehr als ein Murmeln.

»Alles in Ordnung, Nina?«

Sie schaute mich mit ihren grünen Augen an. »Aber ja«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich weiß bloß nicht, was ich auf deine Frage antworten soll. Wer war sie? Sie hatte einen Namen, sie spielte Gitarre, sie lebte und starb. Am Jüngsten Tag wird von keinem von uns viel mehr zu sagen sein.«

»Eine düstere Weltsicht, aber darum geht es mir nicht. Hat John angerufen? Sprüche wie ›er ist gerade einkaufen gegangen‹ kannst du dir sparen. Ich habe schon begriffen, dass er sich aus deinem Leben verabschiedet hat.«

Sie machte den Mund auf, sagte dann aber nichts.

Ich bohrte weiter. »Wo steckt er jetzt eigentlich?«

»Ich weiß es nicht«, sagte sie leise.



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